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Dr. Peter Radtke: „Kunst und Rehabilitation“

Dr. Peter Radtke, kürzlich verstorbener Gründer und Ehrenmitglied der DOIG, hielt anlässlich der Eröffnung der REHA 93, der Düsseldorfer Rehabilitations-Fachmesse,  am 6. Oktober 1993 einen Vortrag zum Thema „Kunst und Rehabilitation“. Wir machen den Text, der in großen Teilen immer noch aktuell ist und hier wieder* verfügbar. (*Verlinkung und Auswahl der herausgestellten Zitate: akp)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

mir ist die Ehre zuteilgeworden, oder vielleicht doch besser zugeteilt worden, zur Eröffnung der REHA 93 einige Gedanken zum Thema „Kunst und Rehabilitation“ zu referieren. Ich gestehe, dass sich mir gewisse Assoziationen unmittelbar aufdrängen. Es gehört Kunst dazu, sich in der Vielfalt der hier ausgestellten Produkte zurechtzufinden, man muss eine ordentliche Portion Kunst aufbringen, um dann für das gefundene Hilfsmittel seiner Wahl den zuständigen Geldgeber auszumachen und schließlich bedarf es nicht unbeträchtlicher Kunst, das so gefundene und glücklich finanzierte Fabrikat auch dergestalt zu beherrschen, dass es wirklich zu einer Hilfe und nicht zu einem weiteren Handicap wird. Aber ich bin hier nicht zu einer Kabarettdarstellung aufgefordert worden, obwohl es angesichts der Schere zwischen Angebot und sozialer Realität von Menschen mit einer Behinderung mitunter schwerfällt, „keine Satire zu schreiben“, um mit Juvenal zu sprechen. Nein, wir wollen uns ernsthaft damit beschäftigen, welchen Stellenwert Kunst in der Rehabilitation einnimmt, oder besser einnehmen könnte, welche Auswirkung kreatives Schaffen auf den behinderten Künstler selbst und auf seine Umwelt hat und inwieweit sich das schöpferische Potential, das bei vielen Körperbehinderten, Blinden, geistig Behinderten und Hörgeschädigten unter einer vordergründigen Beeinträchtigung versteckt ist, sinnvoll umsetzen lässt.

So bedauerlich es ist, wenn bei den hochoffiziellen Ereignissen anscheinend immer wieder auf dieselben Betroffenen als Festredner zurückgegriffen wird, als gäbe es nicht genügend kompetente Menschen in eigener Sache, so gerne habe ich dennoch die mir gestellte Aufgabe übernommen. Ich befinde mich nämlich hier als darstellender Künstler und Schriftsteller auf einem Gebiet, in dem ich bereichernde persönliche Erfahrung sammeln durfte, die ich jedem, ob behindert oder nichtbehindert, wünschen würde. Darüber hinaus stehe ich als Vorstandsmitglied von EUCREA Deutschland, einer nationalen Vereinigung der internationalen Organisation zur Förderung und Unterstützung der Kreativität behinderter Menschen, in der Mitverantwortung für das Kulturfestival, das einen integralen Bestandteil der diesjährigen REHA ausmacht. Schließlich aber glaube ich, dass dem Thema „Kunst und Behinderung“ in der breiten Öffentlichkeit, aber auch unter Fachleuten, bisher noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde.

Wenn wir über Kunst in der Rehabilitation sprechen, kommen wir vermutlich nicht um eine Begriffsklärung herum. Klügere Köpfe als ich sind an dem Versuch gescheitert, Kunst zu definieren. Was für den einen noch Kunst ist, ist für den anderen bereits bloße Nachahmung, Kitsch oder Massenproduktion. Es gibt einen breiten Kunstbegriff, der alles, was der Mensch mit dem Willen zur Kunst gestaltet und verändert. als Kunst verstanden wissen will, es gibt eine engere Auslegung, die den Maßstab der Qualität als weiteres entscheidendes Merkmal eines Kunstwerkes oder einer künstlerischen Betätigung im Bereich von Künstlern mit einer Behinderung, aber im Grunde überhaupt, scheinen solche Forderungen äußerst fragwürdig. Wer bestimmt Qualität, nach welchen Maßstäben richtet sie sich aus, inwieweit verschiebt sich dadurch das Wesentliche vom dynamischen, schöpferischen Prozess zum statischen Ergebnis des fertigen Produktes? So hat – ich denke mit Recht – EUCREA den Begriff der „Disability Art“, der Kunst von Behinderten, ersetzt durch den Ausdruck „Kreativität“. Das Schöpferische, d.h. das aus der inneren Erfahrung zum Ausdruck Gebrachte und der Weg dorthin, dürfte wesentlich geeigneter sein, jenes Phänomen zu umschreiben, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen.

Der echte Künstler, der um sein Kunstwerk ringt, ist üblicherweise ein Außenseiter, muss es sein, wenn er nicht eben diese Einmaligkeit seines Schaffens verraten will.

„Rehabilitation“ bedeutet Wiederherstellung, Neubefähigung und bezieht sich in der Regel auf medizinische, berufliche und soziale Aspekte. Das Erlernen oder Trainieren von Fertigkeiten, seien sie körperlicher oder intellektueller Natur, steht im Vordergrund jedes Rehabilitationsbemühens. Kreativität hingegen ist nicht erlernbar. Sie schlummert in jedem Menschen, sie kann geweckt und gefördert werden, aber sie ist nicht erlernbar. So schließen sich Kunst, Kultur und Kreativität auf der einen Seite und Rehabilitation auf der anderen zunächst kategorisch aus. Auch in einem philosophischen Sinne ist nur schwerlich ein Ausgleich zwischen Rehabilitation und Kreativität zu finden. Der echte Künstler, der um sein Kunstwerk ringt, ist üblicherweise ein Außenseiter, muss es sein, wenn er nicht eben diese Einmaligkeit seines Schaffens verraten will. Die Rehabilitation wiederum, so wie sie landläufig verstanden wird, hat zum Ziel, eine möglichst reibungslose Einpassung in den Hauptstrom der übrigen Gesellschaft zu bewirken. Sind folglich kreatives Schaffen und Rehabilitation unvereinbare Gegensätze?

Wo Therapie ist, ist niemals Kunst, aber wo Kunst ist, ist immer Therapie.

Es gibt einen Bereich, in dem sich beide Gebiete berühren, wenn nicht gar überlappen, die sogenannte Kunsttherapie. Tatsächlich werden hier schöpferische Prozesse in Gang gebracht, ohne dass jedoch die Herstellung eines Kunstwerkes Ziel der Bemühungen wäre. Kunst und kunsthandwerkliche Techniken werden lediglich als Vehikel für außerkünstlerische Zwecke benutzt. So wichtig und segensreich die Kunsttherapie in der Rehabilitation auch ist, so unabdingbar bleibt die Forderung nach klarer Grenzziehung gegenüber dem eigentlichen Gebiet kreativer behinderter Künstler. Eine Verwischung der Unterschiede schadet sowohl den andersgearteten Zielsetzungen der Kunsttherapie als auch den Leistungen jener Künstler mit einer Behinderung, die sich selbst als Künstler verstehen. Wenngleich es im Einzelfall immer wieder überraschende, auch künstlerisch-kreativen Maßstäben angemessene Resultate der Kunsttherapie gibt, darf dennoch die alte Regel gelten: Wo Therapie ist, ist niemals Kunst, aber wo Kunst ist, ist immer Therapie. Diese zweite Art von Therapie, die jeder echten Kunstbetätigung innewohnt, ist es, über die ich im Nachfolgenden sprechen möchte. Sie durfte ich auf vielfältige Weise in meinem eigenen Werdegang als Kunstausübender erfahren, und sie scheint mir letztendlich eine viel tiefgreifendere Rehabilitation zu bewirken als alles, was normalerweise mit diesem Begriff verbunden wird.

Gestatten Sie mir eine zugegeben provokante These: Ein völlig gesunder, ein völlig nichtbehinderter Mensch – und hier setze ich durchaus behindert und krank gleich – wird nur schwerlich ein großer Künstler werden.

Es gibt keinen behinderten Künstler, es gibt nur Künstler mit einer Behinderung. Dies bedeutet nicht, dass Behinderung keinen Einfluss auf das jeweilige Kunstwirken hätte, im Gegenteil. Felix Mitterer, der bekannte österreichische Schriftsteller, hat angesichts der Texte des geistig behinderten Autors Georg Paulmichel einmal gesagt: „So wie dieser, könnte ich niemals schreiben.“ Immer wieder höre ich, dass meine Verkörperung von Kafkas „Bericht für eine Akademie“ dem Text eine Dimension verleiht, die kein noch so perfekter nichtbehinderter Schauspieler zustande brächte. Dies hat nichts mit der Qualität der Aufführung zu tun oder nicht allein, man verstehe mich hier bitte nicht falsch, als vielmehr mit diesem Stückchen Etwas, das eben durch den Tatbestand der Behinderung zusätzlich hinzukommt. Gestatten Sie mir eine zugegeben provokante These: Ein völlig gesunder, ein völlig nichtbehinderter Mensch – und hier setze ich durchaus behindert und krank gleich – wird nur schwerlich ein großer Künstler werden. Die Beschränkung, sich aus irgendeinem Grunde nicht mit den üblichen Kommunikationsmitteln ausreichend ausdrücken zu können, liegt am Ursprung jedes künstlerischen Schaffens. Ich hätte sicher keine Theaterstücke . geschrieben, ich wäre höchstwahrscheinlich nicht auf die Bühne gegangen, wenn ich wie andere hätte herumtollen können, wenn ich für eine „normale“ Familie zu sorgen gehabt hätte, wenn ich nicht den Drang verspürt hätte, Menschen zu zeigen, dass Behinderung etwas durch und durch Positives sein kann. Ist bildnerisches Gestalten, Malen, Theater also doch nur Selbsttherapie? Ja und Nein.

Die Kunst ermöglicht uns, die wir behindert sind, eine Gleichwertigkeit, die in dieser Weise auf keinem anderen gesellschaftlichen Sektor erreicht wird.

Traditionelle Therapie wirkt immer nur auf den Adressaten der Therapie, den Patienten, den behinderten Klienten; Kunst tut dies auch, aber darüber hinaus auch auf andere, und dies macht sie über alle Ansätze der herkömmlichen Therapie erhaben.

Im kreativen Prozess wird Behinderung im günstigsten Fall, wie gesagt, zu einer Qualität, die konstruktiv eingesetzt werden kann. Die mitunter seltsam anmutenden Bilder eines Albert Fischer werden nur dann voll verständlich, wenn man weiß, dass der gehörlose Maler in seiner Formensprache ein Kommunikationsmittel sieht, das sich ebenbürtig neben die herkömmliche verbale Ausdrucksweise stellt. Die Kunst ermöglicht uns, die wir behindert sind, eine Gleichwertigkeit, die in dieser Weise auf keinem anderen gesellschaftlichen Sektor erreicht wird. Dass dies zu einer einzigartigen Steigerung des Selbstwertgefühls beiträgt, bedarf wohl keiner gesonderten Erläuterung. Aber auch Integration, als eigentliches Ziel jeder Rehabilitation, findet im Bereich der Kunst, und hier besonders der darstellenden Kunst, ein Vorbild, das in dieser Idealform nur sehr selten anderswo anzutreffen ist. Wenn ich als schwerstbehinderter Schauspieler auf der Bühne stehe, oder besser sitze, eingebettet in eine „normale“ Theaterproduktion, hört jede falsche Rücksichtnahme, jede Bevorzugung, aber auch Benachteiligung auf. Meine Verschiedenartigkeit von den anderen Mitspielern ist geradezu konstitutives Merkmal meiner Funktion, ohne dass deshalb der Gedanke des Gesamtensembles verloren ginge. Es ist eben, um das geflügelte Wort unseres Bundespräsidenten zu übernehmen „normal, verschieden zu sein“. In einer solchen Aufführung bin ich notwendiges, gleichwertiges Mosaikstück in einem Bild, das sich aus vielen ähnlichen Mosaikstücken zusammensetzt. Meine Kollegen sind nicht weniger auf mich angewiesen, als ich mich darauf verlassen muss, dass sie mir mein Stichwort zur rechten Zeit geben. So behutsam der Regisseur während der Probenarbeit auch mit mir umgegangen sein mag, während der Vorstellung ist meine volle Leistung gefragt, wie dies auch von nichtbehinderten Akteuren verlangt wird. Ich habe den großen Peter Lühr in seinen letzten Jahren an den Münchner Kammerspielen erlebt. Er konnte sich nur noch mit Hilfe seiner Enkelin zum Theater schleppen, vor der Aufführung umsorgte man ihn wie einen Todkranken, aber auf der Bühne war dann die Schonzeit vorüber, und er stand allein vor seiner Aufgabe und dem Publikum.

Was ist Integration anderes als zu wissen, dass man gebraucht wird, dass man eine gebührende Achtung erfährt, dass man weder vor- noch nachteilig behandelt wird. Ich denke, kein Medium vermag dieses Gefühl besser zu vermitteln als der Bereich der Kreativität, in meinem Fall eben das Theater.

So bilden behinderte Künstler quasi die Vorhut einer Schar, die sich der so nötigen Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft verschrieben hat. Doch auch für die nichtbehinderte Umwelt ist das Wirken behinderter Künstler von maßgeblicher Bedeutung. Durch Funk, Fernsehen und Presse vermittelt, steht vor dem Durchschnittsbürger stets das Bild des Behinderten als einem defizitären Wesen, das auf Hilfe und Unterstützung angewiesen ist. Kaum einmal wird der Mensch mit einer Behinderung als Gebender, als einer, der die Gesellschaft bereichert, erkannt. Es ist äußerst schwer, die Möglichkeiten, die behinderte Menschen zum Nutzen der Gesellschaft einbringen können, deutlich zu machen, außer eben gerade durch die Ausdrucksformen der Kunst. So bilden behinderte Künstler quasi die Vorhut einer Schar, die sich der so nötigen Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft verschrieben hat. Indem sie sich selbst verwirklichen, leisten sie einen Dienst, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Daher ist es meines Erachtens z.B. unnütz zu fragen, ob ich in erster Linie Theater spiele, weil es mir Spaß macht, oder weil ich Öffentlichkeitsarbeit betreiben will. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar und sollte deshalb auch nicht voneinander geschieden gesehen werden.

Die Perspektiven auf künstlerischem Gebiet sind keinesfalls glänzend, aber sie sind für behinderte Künstler nicht wesentlich schlechter als für nichtbehinderte.

Versteht man Rehabilitation als die Aufgabe, Menschen zu sich selbst zu führen, ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich so zu entfalten, wie es für sie, nicht unbedingt für die Gesellschaft, sondern für sie am besten ist, dann ist es unverständlich, warum Kunst und Kreativität, mit Ausnahme der schon erwähnten Kunsttherapie, so wenig integriert in das übrige Rehabilitationsgeschehen ist. Ich frage mich ernsthaft, warum wir z.B. in Deutschland nicht längst eine Ausbildungsstätte für behinderte Künstler in darstellenden Berufen geschaffen haben, wie es diese in den Vereinigten Staaten seit Jahren gibt. Der Hinweis, ein derartiger Bildungsgang vergrößere nur die Schar arbeitsloser Behinderter, ist wenig überzeugend. Wir alle wissen, wie viele Umschulungsmaßnahmen, Förderkurse und Lehrgänge durchgeführt werden, die auf Arbeitsfelder hin ausbilden, die – sind wir ehrlich – kaum als Paradies für Arbeitssuchende bezeichnet werden können. Die Rehabilitanden lernen ohne Freude, unter erheblichem Leistungsdruck mit der tristen Aussicht, am Ende doch in einer Sackgasse zu landen. Zugegeben: Die Perspektiven auf künstlerischem Gebiet sind keinesfalls glänzend, aber sie sind für behinderte Künstler nicht wesentlich schlechter als für nichtbehinderte. 08/15 Schauspielerinnen und Schauspieler gibt es wie Sand am Meer. Behinderte Darsteller fast keine. Und auch hier gilt der Teufelskreis: Gibt es kein Angebot an Darstellern, gibt es keine Stücke mit behinderten Akteuren, fehlen solch nachahmenswerte Vorbilder für Intendanten und Regisseure, werden wiederum keine derartigen Versuche unternommen, gibt es also auch keine Nachfrage nach entsprechenden Schauspielern; hat der Arbeitsmarkt keine Nachfrage, wird nicht auf den Beruf hin ausgebildet. Warum legen wir nicht einmal die Idee der Arbeitsplatzgarantie beiseite, die es ohnehin nicht gibt, und fragen uns: Was bringt dem Betroffenen eine solche Ausbildung für seine Persönlichkeitsentwicklung? Ist die innere Bereicherung, die ja bis hin zur gesundheitlichen Stabilisierung geht – ich z.B. bin heute körperlich wesentlich besser in Form als vor meiner Schauspieltätigkeit – kein Wert, den es zu vermitteln gibt? Und wo keine Arbeitsmöglichkeiten bestehen, da müssen eben welche geschaffen werden.

Ist es wirklich so utopisch, sich eine derartige Institution vorzustellen, die zur Abwechslung mal keine gegenständlichen Erzeugnisse produziert, sondern ideelle Werte, wie z.B. eine Theateraufführung?

Wenn auf dem freien Arbeitsmarkt keine Stellenangebote vorliegen, dann gibt es die Einrichtung der Werkstätte für Behinderte. Ist es wirklich so utopisch, sich eine derartige Institution vorzustellen, die zur Abwechslung mal keine gegenständlichen Erzeugnisse produziert, sondern ideelle Werte, wie z.B. eine Theateraufführung? Einzelne Ansätze in dieser Richtung existieren auch in Deutschland, aber sie sind Ausnahmefälle, meist auf das Bildnerische beschränkt und mit geistig Behinderten durchgeführt.

So sind die Kraichgauer Werkstätten, die Schlumper in Hamburg oder die Kreative Werkstatt Stetten positive Beispiele für künstlerisches Gestalten in Malerei und bildender Kunst. Das Atelier Blaumeier, Bremen, das auch auf dem hiesigen EUCREA-Kulturfestival vertreten ist, hat sich darüber hinaus der darstellenden Kunst geöffnet. Aber all dies sind lediglich richtungsweisende Anfänge, die fortgeführt, vertieft und erweitert werden müssten. Wie sich am Münchner Crüppel Cabaret oder am Deutschen Gehörlosentheater erahnen lässt, wäre eine Kreative Werkstatt für Behinderte auch im Hinblick auf Sinnesgeschädigte und Körperbehinderte mit Ausrichtung darstellender Kunst durchaus denkbar. Die Finanzierung könnte über die in Werkstätten üblichen Pflegesätze erfolgen, die Eigenmittel, vielleicht sogar eine volle Refinanzierung, würde durch Einnahmen von Aufführungen und Gagen für „Ausleihschauspieler“ aufgebracht werden. Die Arbeit solcher Werkstätten würde die darin Tätigen bereichern, aber auch einen Dienst im gesellschaftlichen Interesse aller leisten. Die finanzielle Absicherung über den Pflegesatz ermöglichte eine kontinuierliche, sich selbst mehr und mehr professionalisierende Fortentwicklung. Dass solche Gedanken nicht unrealistisch bleiben müssten, dass ein großes Potential kreativer Schaffenskraft im darstellenden und bildnerischen Bereich bereits heute vorhanden ist und nur der entsprechenden Förderung bedarf, dies soll das EUCREA-Kulturfestival anlässlich der REHA ´93 einer breiten Öffentlichkeit zeigen.

EUCREA, eine zwar noch kleine, in den kommenden Jahren aber sicher mehr und mehr an Bedeutung gewinnende Dachorganisation von behinderten Künstlern sowie Vereinigungen, die sich auf diesem Gebiet engagieren, wird sich bemühen, die Idee der Kunst in der Rehabilitation und die Rehabilitation durch Kunst in den Köpfen der Verantwortlichen präsent zu halten, nicht allein durch ein ständiges Insistieren, als vielmehr durch die praktische Demonstration kreativen Schaffens behinderter Künstler in Ausstellungen, auf Theaterfestivals, bei kulturellen Großveranstaltungen. Dabei sind wir uns denkbar bewusst, dass Kunst, auch die Kunst behinderter Menschen, international ist. EUCREA-Deutschland ist eine nationale Organisation, eingebettet in eine internationale Vereinigung. Wir können unser Augenmerk auf erfolgreiche Projekte des Auslands richten und uns von dort Anregung holen, umgekehrt aber unsererseits Hilfe und Unterstützung jenen Ländern anbieten, wo gewisse Ansätze vielleicht weniger weit fortgeschritten sind wie bei uns. So ist das EUCREA-Kulturfestival mit einer Beteiligung von Gruppen aus ganz Europa gerade in einem Jahr, da die Europäische Gemeinschaft die Schirmherrschaft für die REHA übernommen hat, ein hoffnungsvolles Zeichen in einer Zeit, die Mut machende Signale dringender denn je nötig hat.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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